Hier meine Rede im Berliner Abgeordnetenhaus zur Aktuellen Stunde zum Thema “Gemeinsam rechten Umsturzphantasien eine demokratische Mobilisierung entgegenstellen – Berlin bleibt offen, vielfältig und solidarisch” vom 18. Januar 2024. Video: rbb.
Text der Rede (es gilt das gesprochene Wort):
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen,
ich habe die Gespräche mit meinem Opa geliebt, nicht weil sie so heiter waren, sondern weil sie so ehrlich, so reflektiert waren.
Ich habe die Gespräche mit meinem Opa geliebt, obwohl er Teil der Tätergeneration war. Weil er mir als Mahnung erzählt hat, wie bereitwillig er, wie bereitwillig Deutschland, mitgemacht hat.
Und wie er einräumte, dass jede und jeder es nicht nur hätte wissen können, sondern jede und jeder es auch gewusst hat.
Auch heute wissen wir es. Die rechten Umsturzphantasien liegen auf dem Tisch. Das zeigen nicht nur die Recherchen von Correctiv.
Laut Spiegel nicht das erste Treffen dieser Art. Und die Gästeliste liest sich wie das Who-is-Who der AFD. Chrupalla soll dabei gewesen sein und auch Frau Brinker war bei Runden von Herrn Kurth. Frau Brinker, die auch nur durch einen Pakt mit dem Flügel zur AfD Vorsitzenden wurde.
Thorsten Weiß aus der AfD-Fraktion gilt als Vertrauensmann von Björn Höcke, hat von ihm einen Fantasieorden angesteckt bekommen und veranstaltet regelmäßig Runden mit völkischen Aktivist*innen und Neonazis.
Und auf der AfD-Bundestagsliste steht auf Platz fünf eine Frau die mutmaßlich Mitglied in einer terroristischen Vereinigung ist, im Knast sitzt weil sie mit kaisertreuem Adel, Ex-Militärs und weiteren Rechtsextremen wohl einen Staatsstreich plante.
Wir wissen, was die AfD vorhat. Sie macht keinen Hehl daraus, Björn Höcke, stellt sich die Frage – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin: “Heute lautet die Frage: Schaf oder Wolf.” und er antwortet mit “Wolf”.
Als Geschichtslehrer weiß er was er da sagt, er bezieht sich unverhohlen auf Joseph Goebbels. Zum Einzug der Nazis in die Parlamente sagte Goebbels — ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin — “Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir!”
Und Goebbels führte dazu weiter die Strategie der Rechten aus: – ich zitiere erneut — „Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freifahrkarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache. Wir zerbrechen uns darüber nicht den Kopf. Uns ist jedes gesetzliche Mittel recht, den Zustand von heute zu revolutionieren.”
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU, SPD, Grüne und Linke,
Wer nicht ins rassistisch-völkische Bild passt, soll deportiert werden, Frauenrechte sollen abgeschafft werden, die Demokratie zerstört werden. Wir wissen es!
Wenn “Remigration” das Unwort des Jahres ist, dann ist die AfD das parteigewordene Unwort des Jahres. Es ist unsere Pflicht und unsere Aufgabe, dass die AFD nur ein Vogelschiss der Geschichte bleibt.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen,
vor nicht allzu langer Zeit stand ganz groß am Brandenburger Tor: Nie wieder ist jetzt!
Es stand gegen Antisemitismus. Ja, wir stehen solidarisch an der Seite der Jüdinnen und Juden — ohne Wenn und Aber.
Nie wieder ist jetzt, heißt aber auch “wann, wenn nicht jetzt”, muss die Demokratie sich zur Wehr setzen, müssen die verfassungsfeindlichen Machenschaften zusammengetragen werden, damit das höchste Gericht Deutschlands ein AfD-Verbot prüfen kann.
Die Wölfe sind längst unter uns.
Und natürlich reicht eine Verfassungsgerichtsentscheidung über ein Verbot der AfD nicht aus.
“Nie wieder ist jetzt” heißt in Berlin auch, dass wir die Gewalttaten gegen Muslimas und Muslime, LSBTIQ*, People of Colour sowie Sinti und Roma nicht hinnehmen. Rechtsextremistische Gewalttaten steigen seit Jahren immer weiter an. Menschen, die nicht dem völkischen Bild der Rechten entsprechen, haben Angst alleine unterwegs zu sein. Sie überlegen sich genau, wo sie hingehen und ob sie Nachts noch das Licht brennen lassen. Wir müssen dafür sorgen, dass Berlin ihr sicheres zu Hause ist.
Es liegt aber auch an uns demokratischen Fraktionen, geschlossen die Demokratie zu verteidigen und parteipolitische Spielchen zumindest aus dem Kampf für Menschenrechte herauszuhalten.
Auch wir müssen uns da kritisch an die eigene Nase fassen! Dass wir — anders als noch vor wenigen Jahren — nicht mehr in der Lage sind, einen bereits abgestimmten Antrag gegen Antisemitismus gemeinsam ins Plenum einzubringen, ist ein Armutszeugnis dieses Parlaments.
Und angesichts der Radikalisierung der AfD ist es eine gefährliche Verharmlosung, den gleichen Abstand zu AfD und Linken halten zu wollen.
Begraben Sie die Hufeisentheorie und stehen wir gemeinsam gegen die Feinde der Demokratie auf.
Und ja, es liegt auch an uns demokratischen Parteien, dass wir den rechten Scheisshausparolen nicht länger hinterher rennen.
Dass wir aufhören, im Zickzack-Kurs Meinungsumfragen hinterher zu rennen, statt auch mal standhaft bei unseren Positionen zu bleiben und für diese einzustehen. Und ja, das gilt auch für meine Partei. Wer mich kennt weiss, dass ich daraus keinen Hehl mache.
Wir stellen die Rechten nicht, indem wir ihre Forderungen übernehmen oder gesellschaftliche Gruppen gegeneinander ausspielen: Geflüchtete gegen Bürgergeld-Empfänger*innen gegen Bäuerinnen.
Wir dürfen nicht länger davon schwadronieren, wie wir die angeblich hohe Zahl der abgelehnten Asylbewerber*innen verkleinern wollen. Als ob Abschiebungen bei den CDU-Innenministern der letzten Jahrzehnten zu wenig Priorität gehabt hätten.
Wir müssen anerkennen: niemand flieht freiwillig, niemand setzt freiwillig sein Leben aufs Spiel. Dieses Land hat nichts davon, wenn wir auch noch Auszubildende von der Werkbank abschieben.
Wir müssen zeigen, wie es geht! Wir müssen Unterkünfte bereitstellen, Schulen und Kitas bauen, Arbeit anbieten und genügend Geld zur Verfügung stellen, damit Bezirke und Kommunen diese Aufgabe meistern. Gerade als Berliner*innen sollten wir wissen: Mauern und Deportationen dürfen nie wieder die Antwort sein.
Liebe Demokratinnen und Demokraten,
machen wir uns nichts vor. Die AfD ist nicht die Antwort, sie ist die Kapitulation vor der Zukunft. Eine positive wirtschaftliche Entwicklung wird es mit der AfD nicht geben. Kein internationales Unternehmen wird in diesen Standort investieren, um zur Eröffnung ein Foto mit Björn Höcke, Alice Weidel oder Kristin Brinker zu schießen. Die wandern lieber ab.
Wir müssen endlich für eine gerechte Politik sorgen. Die auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich ist die Wurzel des Übels der Ungerechtigkeit.
Statt über Menschen in Not herzuziehen, und auf die zu treten, die ohnehin nichts haben — sollten wir uns damit beschäftigen, dass die Reichsten dieser Welt seit 2020 ihr Vermögen verdoppelt haben und Normalbürger sich aufgrund von Inflation oft das Nötigste kaum noch leisten können.
Wir müssen die soziale Schieflage vom Kopf auf die Füße stellen. Wir brauchen eine Vermögenssteuer, wir müssen Gewinne aus Mieten, aus Vermögen endlich genauso besteuern wie ehrliche, harte Arbeit.
Die Kindergrundsicherung, genügend Sozialwohnungen, genug Geld für demokratiefördernde Initiativen sind zwingend. Denn eine Antwort ist eben auch: Gegen Menschenhass stellen wir Gerechtigkeit.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus den demokratischen Fraktionen,
Kay Bernstein hat in seinem letzten Interview auf die Frage nach dem Rechtsruck in der Gesellschaft und ob die Gefahr besteht, dass Fankurven unterwandert werden können, gesagt, “darauf muss man immer aufpassen” und weiter “Es ist unsere Verantwortung, dem entschieden entgegenzutreten.”
Lieber Kay, wir werden aufpassen, gerade jetzt und wir werden dem Rechtsruck entgegentreten und zwar entschieden.
Vielen Dank.