Aktuelle Stunde: Rundfunkstaatsvertrag

Hier mei­ne Rede zur Aktu­el­len Stun­de zum The­ma “Gesetz zum Staats­ver­trag über den Rund­funk Ber­lin-Bran­den­burg (rbb-Staats­ver­trag)” vom 20. Novem­ber 2023


Sehr geehr­te Prä­si­den­tin, Sehr geehr­te Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, Sehr geehr­te Damen und Her­ren,

Für den Erhalt unse­rer Demo­kra­tie sind öffent­lich-recht­li­chen Medi­en ele­men­tar. Wenn Demo­kra­tien kip­pen, ist der Öffent­lich-Recht­li­che Rund­funk immer eines der ers­ten Opfer. Freie und hoch­wer­ti­ge Medi­en sind eben kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit.

In Russ­land gibt es kaum noch eine oppo­si­tio­nel­le Zei­tung oder einen oppo­si­tio­nel­len Fern­seh­sen­der. In den USA wer­den Fake-News auch in den Medi­en gezielt dafür ein­ge­setzt den Dis­kurs immer wei­ter nach rechts zu ver­schie­ben. Und im Inter­net ist eine Unter­schei­dung zwi­schen Wahr­heit und Lüge kaum noch mög­lich. 

Die Welt um uns her­um gerät aus den Fugen: Kri­sen, Krie­ge, Kata­stro­phen … Sie alle gehen damit ein­her, dass die Wahr­heit als Ers­tes stirbt, dass Fak­ten und Fake-News nahe­zu gleich­wer­tig neben­ein­an­der ste­hen. 

Kli­ma­kri­se vs. Kli­ma­leug­ner
Evo­lu­ti­on vs. Schöp­fungs­ge­schich­te
Auf­klä­rung vs. Hass und Het­ze

Stel­len wir uns dem ent­ge­gen und sor­gen wir dafür, dass es auch wei­ter­hin mit Qua­li­täts­jour­na­lis­mus befä­hig­te Wäch­ter der Wahr­heit gibt.

Wis­sen ist Macht! Und durch frei­en und für alle frei zugäng­li­chen Qua­li­täts­jour­na­lis­mus wird Wis­sen zur Macht des Vol­kes.

Zei­tun­gen, Pod­casts, Radio, Fern­se­hen und digi­ta­le Ange­bo­te. Wir kön­nen stolz und glück­lich sein, dass wir hier in Ber­lin und in Bran­den­burg in einer so viel­fäl­ti­gen und offen zugäng­li­chen Medi­en­land­schaft leben. Das ist die Basis unse­rer leben­di­gen Demo­kra­tie. 

Und ja, der öffent­lich-recht­li­che Rund­funk ist dabei ele­men­ta­rer Bestand­teil.

Umso erschre­cken­der war es, als der rbb in die Kri­se stürz­te und  das Ver­trau­en in den öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk zum Wan­ken brach­te. 

Umso erschre­cken­der war es, dass die pri­va­ten Din­ner Run­den, die aus­ufern­den Gehäl­ter, die über­teu­er­ten Büro­aus­stat­tun­gen nicht nur den Ruf des rbb hart beschä­dig­ten, son­dern den öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk in ganz Deutsch­land in eine tie­fe Kri­se stürz­te. 

Und umso dank­ba­rer bin ich, dass die Unter­su­chun­gen, dass die Auf­ar­bei­tun­gen, dass die gezo­ge­nen Kon­se­quen­zen so klar, so ein­deu­tig, so weg­wei­send waren. Allen, die dar­an mit­ge­wirkt haben, gilt unser Dank. An ers­ter Stel­le den Rech­nungs­hö­fen von Ber­lin und Bran­den­burg. Denn  die For­de­run­gen des Ber­li­ner Rech­nungs­ho­fes, lie­be Frau Prä­si­den­tin Klin­gen, haben den neu­en Rund­funk­staats­ver­trag auf ein neu­es Level geho­ben. 

Con­trol­ling-Mecha­nis­men, Trans­pa­renz und Anstand — vor allem mit Blick auf die Gehalts­struk­tur im rbb — all das hat dank Ihnen in den Staats­ver­trag Ein­zug gehal­ten. All dies wäre vor der Kri­se nicht mög­lich gewe­sen.

Mit die­sem neu­en Rund­funk­staats­ver­trag haben sie weg­wei­sen­de und vor­bild­haf­te Regeln geschaf­fen:

  • Die Inten­dan­ten­ver­fas­sung wird abge­schafft und statt­des­sen wer­den künf­tig Ent­schei­dun­gen von erheb­li­cher Bedeu­tung in einem Team getrof­fen.
  • Die Auf­sichts­gre­mi­en wer­den pro­fes­sio­na­li­siert und die Kon­trol­le durch die­se erheb­lich gestärkt.
  • Die vie­len fes­ten frei­en Mit­ar­bei­ten­den wer­den end­lich auch von der Per­so­nal­ver­tre­tung mit ver­tre­ten.
  • Die Finanz­kon­trol­le wird nun auch durch die Lan­des­rech­nungs­hö­fe unter­stützt und so deut­lich gestärkt und aus­ge­baut.
  • Die Rech­nungs­hö­fe prü­fen künf­tig die wirt­schaft­li­che Gesamt­si­tua­ti­on des Sen­ders. 
  • Das Inten­dan­ten­ge­halt wird gede­ckelt und damit auch suk­zes­si­ve alle ande­ren Gehäl­ter.

Die­se Refor­men waren vor einem Jahr noch unvor­stell­bar. Des­halb: Von Her­zen Dan­ke. Mit die­sen Rege­lun­gen hat der rbb die Chan­ce, vom Kri­sen-Sen­der zum Vor­bild für die gesam­te ARD zu wer­den. 

Doch lei­der ist nicht alles Gold, was glänzt. Lei­der hat die­ser Rund­funk­staats­ver­trag auch gra­vie­ren­de Schwä­chen und Pro­ble­me.

Das beginnt beim Ver­fah­ren selbst: Bei einer sol­chen Vor­ge­schich­te, bei einem sol­chen Ver­trau­ens­ver­lust, wäre eine ergeb­nis­of­fe­ne Ein­be­zie­hung der Par­la­men­te und der Öffent­lich­keit ele­men­tar gewe­sen. 

Statt­des­sen wur­de hin­ter ver­schlos­se­nen Türen in Hin­ter­zim­mern ein Ver­trag zwi­schen Bran­den­burg und Ber­lin aus­ge­han­delt. Ein Ver­trag, der hier ledig­lich noch beschlos­sen, aber nicht mehr ver­än­dert wer­den wird. Das, wer­te Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, ist einer ech­ten demo­kra­ti­schen Befas­sung unwür­dig.

Denn: Wir hät­ten noch eini­ges zu klä­ren. Nach wie vor gibt es Pro­ble­me, gibt es Unklar­hei­ten, gibt es berech­tig­te Kri­tik:

Mehr regio­na­le Fens­ter sind gut. Ja. Die Men­schen wol­len kon­kret wis­sen, was bei ihnen vor Ort pas­siert. Doch nur die Pro­gramm­fens­ter für Ber­lin und Bran­den­burg von 30 auf 60 Minu­ten zu erhö­hen reicht doch nicht aus. Was hilft ein dop­pelt so lan­ges Pro­gramm­fens­ter, wenn am Ende nur alte Bei­trä­ge gezeigt wer­den kön­nen.

Auch mögen neue Büros in Bran­den­burg erst ein­mal gut klin­gen. Aber ein neu­es Büro allei­ne pro­du­ziert eben noch kei­nen neu­en Bei­trag. Wir brau­chen kei­ne Inves­ti­tio­nen in Beton, wir brau­chen Inves­ti­tio­nen in Jour­na­lis­tin­nen und Jour­na­lis­ten. 

Jour­na­lis­tin­nen und Jour­na­lis­ten, die vor Ort – an allen Ecken und Enden von Ber­lin und Bran­den­burg recher­chie­ren, Miss­stän­de auf­de­cken und span­nen­de Bei­trä­ge pro­du­zie­ren. 

Mehr Regio­na­li­tät macht eben nur Sinn, wenn es gleich­zei­tig auch mehr Geld für ein gutes Pro­gramm gibt. Und was hel­fen mehr regio­na­le Ange­bo­te, wenn sie nur für das Fern­se­hen pro­du­ziert wer­den?

Die Geg­ner der Demo­kra­tie kämp­fen im Netz — die Fake News, die dort in die Welt gesetzt und ver­brei­tet wer­den, bekämpft man nicht mit mehr Fern­se­hen.

Wer sich dar­über erschreckt, dass jun­ge Leu­te auf Tik­Tok Bin Ladens “Let­ter to Ame­ri­ca” fei­ern, wer die Ver­brei­tung von Hass und Het­ze im Netz kri­ti­siert — der muss dem öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk ermög­li­chen, auch digi­tal ein zeit­ge­mä­ßes jour­na­lis­ti­sches Ange­bot anbie­ten zu kön­nen. 

Das sieht die­ser Staats­ver­trag aber nicht vor. Lei­der. Geben wir ihm doch die Frei­heit, Geld dort ein­zu­set­zen, wo man jun­ge Men­schen auch erreicht.

Statt­des­sen wer­den zwei wei­te­re Spit­zen­po­si­tio­nen mit Spit­zen­ge­häl­tern geschaf­fen, die das Pro­gramm für Ber­lin und für Bran­den­burg kon­trol­lie­ren sol­len. Die Finan­zie­rung die­ser bei­den Gehäl­ter wird eine klaf­fen­de Lücke in den Pro­gram­me­tat rei­ßen. Und das, obwohl es für die­se Auf­ga­be bereits eine gut bezahl­te Pro­gramm­di­rek­to­rin gibt. 

Die bei­den Lan­des­be­auf­trag­ten, die das Pro­gramm für Bran­den­burg und für Ber­lin über­neh­men sol­len, sind ein Damm­bruch gegen die Unab­hän­gig­keit des Jour­na­lis­mu­ses.  Dass der Rund­funk­rat in Zukunft Men­schen wäh­len soll, die kon­kre­ten Ein­fluss auf das Pro­gramm neh­men kön­nen, ist nicht akzep­ta­bel. 

Einen Rund­funk­staats­ver­trag vor­zu­le­gen, gegen den der rbb selbst kla­gen will, weil er die Unab­hän­gig­keit des rbb in Gefahr sieht, wird der Ver­ant­wor­tung, die sie beim Ver­han­deln die­ses Staats­ver­tra­ges hat­ten, nicht gerecht, wird der Wich­tig­keit von Qua­li­täts­jour­na­lis­mus in die­sen Zei­ten nicht gerecht. 

Ich kann dage­gen nur an Sie appel­lie­ren: Wer­den Sie Ihrer Ver­ant­wor­tung gerecht und las­sen Sie uns die­sen Ver­trag noch bes­ser machen.

Wer­den Sie Ihrer Ver­ant­wor­tung gerecht, denn die­ser Rund­funk­staats­ver­trag darf nicht zu einem Rund­funk­straf­ver­trag wer­den.

Vie­len Dank!